Ich bediene Kunden, aber keine Klischees: "Die Friseuse" - ist Kathis Geschichte. Doch auch ein Film kann sie nicht ändern.

 

Vor langer Zeit, als Friseure noch in Schichten von 6 bis 22 Uhr arbeiteten, als es schwer war, an diesen Beruf heranzukommen und als der Begriff "Friseuse" noch abfällig klang (man sagte ja auch nicht Masseuse, Balletteuse oder Redakteuse!), genau zu jener Zeit arbeiteten Kathi und ich im selben Salon. Seitdem ist viel passiert: Das Land gibt es nicht mehr, den Salon auch nicht, und erst recht nicht mehr das 18-prozentige Wasserstoffperoxid. Derzeit läuft der Film "Die Friseuse" von Doris Dörrie in den Kinos. Er erzählt etwas von Kathis Geschichte. Kurzzeitig gab es Rummel um Kathi - aber nun ist wieder "alles chic".


Trauerst du eigentlich dem VEB Dienstleistungskombinat hinterher?

Nein, aber es waren keine schlechten Zeiten. Unser Riesen-Salon in der Leipziger Straße war doch ein Beauty-Tempel für Ostverhältnisse. Mit Kosmetik, Rezeption und allem Drum und Dran. Dafür, dass da 40 Frauen arbeiteten, war es doch recht harmonisch.

Und was hat sich verändert?

Manche Kunden fragen heute: Gibt's keinen Prosecco? Denen sage ich: Hier kostet der Haarschnitt 24 Euro. Würde er 64 Euro kosten, bekämen Sie sogar Champagner.

Früher kamen die Kunden alle vier Wochen.Wie oft kommen sie heute?

Ein Schnitt kommt so alle sechs bis acht Wochen, eine Farbe alle zwei, drei Monate. Das hat sich schon verändert.

Wie die Chemie ...

Du weißt, wenn wir früher eine Erkältung hatten, haben wir eine Dauerwelle aufgetragen, die Gummihaube abgenommen - und tief durchgeatmet. Sofort waren die Lungen frei. Das war die beste Medizin. Heute ist alles softer. Auch Blondierungen sind höchstens noch neunprozentig.

Liebst du, was du machst?

Ja, ich hab einen tollen Job. Ich bediene meine Kunden gern - aber keine Klischees. Kürzlich wurde ich in eine Fernsehtalkshow eingeladen. Rat mal, worum es ging?

Hartz IV?

Richtig! Die denken: Friseuse, Mindestlohn, Hartz. Dabei habe ich gar keine Erfahrungen mit Hartz IV. Da werde ich einfach so verschlagwortet.

Du bist im Salon quasi an der Basis. Was denken die Menschen?

Die Politiker unterschätzen uns permanent. Kein Mensch fordert Steuersenkungen, denn jeder weiß, dass er diese woanders wieder bezahlen muss. Wie können die so ignorant sein? Zum Beispiel Westerwelle. Ich unterstelle dem mal, dass er intelligent ist, ein toller Sohn, ein super Lebensabschnittsgefährte. Aber er polarisiert. Warum muss er die Niedrigverdiener gegen Hartz-IV-Empfänger aufhetzen? Dass Leute, die arbeiten, mehr verdienen sollen, ist eine Binsenweisheit. Und sein Alternativen? Schneeschippen? Nun, wir haben den Osten überlebt, wir überleben auch Westerwelle.

Und die anderen?

Die Politiker sind alle solche Parteisoldaten. Die können sich einfach nicht gegenseitig Recht geben, um gemeinsam Probleme zu lösen. Keine Firma würde so funktionieren! Im Leben sind wir auf Teamarbeit angewiesen. Müssen alle flexibel sein. Wir haben doch längst Eigenverantwortung übernommen. Allein beim vielen Unterrichtsausfall pauken die Eltern halbe Lehrpläne zu Hause mit ihren Kindern. Und im Beruf dreht man sich auch.

Und du hattest noch die Berlinale ...

Ich hatte drei tolle Tage: Zur Pressekonferenz ins Ritz-Carlton kam ich im hübschen Strick - und fragte mich: Wer hat bloß ,legere Kleidung' auf die Einladung geschrieben? Egal. An den beiden anderen Tagen war die Filmpremiere im Friedrichstadtpalast und die Aufführung im Kino Adria. Ich bin für die Bussi-Gesellschaft nicht gemacht, aber ich hab's genossen. Wir haben bis 4.30 Uhr gefeiert, um 6.30 Uhr bin ich wieder aufgestanden.

Und kommen jetzt neue Kunden?

Ja, die sind nett und nicht aufdringlich. Nur eine Kundin fragte etwas überspannt: Ist das hier der Salon von der berühmten Friseuse? Da dachte ich: Oh, ganz schlecht.

Was machst du denn, wenn du einen Kunden nicht magst?

Naja, ich kann schlecht sagen: Wissen Sie, ich möchte mich nicht mit Ihnen unterhalten. Ich gebe lieber die drei goldenen Antworten.

Verrätst du uns die?

Ach! Nee! Und: Echt!

Das Gespräch führte Abini Zöllner.

 

Berliner Zeitung, 06.03.2010