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Erich Ohser und e. o. plauen: Ein Mann in zwei Welten

Als das Kind Erich am 18. März 1903 geboren wurde, hätte es mit Nachnamen Ochse heißen müssen. Doch seine Familie setzte eine Namensänderung durch - es war nicht die letzte für Erich Ohser. Später wurde er als e. o. plauen bekannt.


Erich Ohsers Leben war ein Leben voller "aber". Er kam aus einfachen, aber liebevollen Verhältnissen. Er hatte eine starke Beziehung zu seinen Eltern, aber besonders zum Vater. Er machte eine Lehre als Schlosser, aber ging an die Kunstakademie Leipzig, bis zur Meisterklasse, wo ihm ein "beherzter, drängerischer Strich" bescheinigt wurde. Er konnte zwar keine höhere Schulbildung genießen, aber wurde später zum Liebling der Intellektuellen. Alles lief auf eine Karikaturisten-Zukunft hinaus, aber sie währte viel zu kurz.

Dreimal Erich: Das waren die Freunde Erich Ohser, Erich Kästner und Erich Knauf. Sie teilten nicht nur die sächsische Heimat, sondern auch die rebellische Munterkeit. 1928 fühlten sich Kästner und Ohser von Berlin angezogen. Ein Jahr später folgte Marigard Bantzer - Ohsers Studienkollegin und baldige Ehefrau - und endlich auch Erich Knauf. Bis dahin veröffentlichte Ohser seine Zeichnungen schon in der "Plauener Volkszeitung" und "Neuen Leipziger Zeitung". Nach einigen Höhen und Tiefen ist er bald in der Situation, dass Zeitschriften wie "Der Querschnitt", "Die lustigen Blätter", "Neue Revue", "Götz von Berlichingen" und die sozialdemokratische Zeitung "Vorwärts" sich um seine Arbeiten reißen.

Erich Ohser II1934 jedoch wird Ohser wegen seiner "publizistischen Tätigkeit im marxistischen Sinne" nicht in die Reichspressekammer aufgenommen - eine Mitgliedschaft dort war Voraussetzung, um weiter veröffentlichen zu können. Diesem indirekten Berufsverbot konnte er nur entgehen, weil ihn der Lektor des Ullstein Verlages, Kurt Kusenberg, in der "Berliner Illustrirten" durchsetzte. Unter dem Pseudonym e. o. plauen ("e." für Erich, "o." für Ohser, "plauen" für den Ort, in dem er aufwuchs) entsteht noch im selben Jahr die Serie "Vater und Sohn". Da ist Ohsers 1931 geborener Sohn Christian drei Jahre alt.
"Vater und Sohn" galt zwar als anspruchsvolle Bildgeschichte, aber der große Erfolg kam nach Hitlers Machtergreifung doch unverhofft: Denn weder die eine noch die andere Figur hatte heldische Züge. Hier waren zwei verspielte Menschen am Werk, die unpolitisch, anarchisch, liebevoll waren und sich an ihren kleinen Pannen entzückten. Die den Mühen und Vorschriften des Lebens mit viel Witz und noch mehr Ideen aus dem Weg gingen. Die beiden entwarfen eine Welt, in der in den Dreißigern so mancher gern gelebt hätte. Statt Weltmächtiges gab es Persönliches. Dieses Menschelnde war eine der schönsten Formen, über sich selbst lachen zu können - und vom beängstigenden Drumherum abgelenkt zu werden. "Vater und Sohn" wurden so beliebt, dass ein frühzeitiges Merchandising einsetzte: mit Motiven auf Süßigkeiten, Abziehbildern, Aschenbechern, Keksdosen, Porzellan. Es gab sogar Vater-und-Sohn-Puppen. Die Menschen identifizierten sich mit Ohsers Scheinwelt.

Erich Ohsere. o. plauen wurde berühmter als Erich Ohser, der Zeichner politisch scharfer Karikaturen. Hitler und sein Gefolge eigneten sich zwar als Witzfigurenvorlage, doch gab es keinen nationalsozialistischen Humor. Joseph Goebbels beobachtete Ohsers Schaffen, aber der konnte sich noch einmal retten: Er veröffentlichte "Vater und Sohn"-Geschichten nun auch in NS-Werbeblättern. Doch 1937 erschien die letzte Folge.

In der steten Hoffnung, weiter schaffen zu können und den nationalsozialistischen Wahnwitz zu überleben, blieb Ohser in Deutschland. Als Zeichner für das Organ "Das Reich" bekam er in den Redaktionssitzungen die Wahrheiten mit, die der Öffentlichkeit vorenthalten wurden. Er litt unter den Widersprüchen - konnte sie auch nicht mehr durch seine Doppel-Identität ausgleichen - und machte sich wenigstens im privaten Umfeld mit Witzen Luft. Doch er wurde denunziert: Bruno Schultz, sein Nachbar in Berlin-Kaulsdorf, meldete der Gestapo "ketzerische Bemerkungen". Am 27. Februar wurde Erich Ohser, der kein Leben im Widerstand, aber im Widerspruch führte, verhaftet. Am 6. April, dem Tag vor der Verhandlung, nahm er sich das Leben. Der Freundeskreis Willi-Brandt-Haus erinnert an den Karikaturisten, auch an den politischen, und zeigt nun sein gesamtes Werk.

 

Berliner Zeitung, 21.03.2002